Die evangelische Pilgermission St. Chrischone bei Basel errichtet mit dem Erwerb des Anwesens Pfingstweid 1848 einen evangelischen Missionsstützpunkt in der katholischen Seegegend. Nach einer kurzen Phase als „Kinderrettungsstation“ von 1855 bis 1860 wird Pfingstweid 1862 die erste Anstalt für Epileptiker in Deutschland. Die formelle Gründung erfolgt am 1. Januar 1864. Um klare rechtliche Verhältnisse zu schaffen und um sich notwendige staatliche Zuschüsse zu sichern, geht das Heim 1868 in die Hand eines selbständigen Trägervereins über.
Adolf Aich, vom 1859 bis 1870 Kaplan von St. Johann hat schon in seiner Examensarbeit seine soziale Einstellung gegenüber Kranken und Pflegebedürftigen zum Ausdruck gebracht. Den Kranken in der Pflegestation St. Johann gilt auch sein fürsorgliches Interesse. 1866 gründet er einen Verein mit dem Ziel, eine Pflegeanstalt für unheilbar Kranke in Tettnang ins Leben zu rufen. Nachdem er diesen Plan wegen der Ablehnung einflussreicher Bürger in Tettnang nicht umsetzen kann, erwirbt er das Schlösschen Liebenau als Kerngebäude für seine neue Anstalt. Nach dem Umzug des kleinen Pflegeheims von Tettnang erfolgt am 15. Oktober 1870 die Eröffnung in Liebenau.
Nach zwei Jahren Bauzeit wird 1886 das neue Oberamtskrankenhaus eingeweiht. Der vom international anerkannten Stuttgarter Architekten Otto Tafel errichtete runde Zentralbau zählt zu den architektonisch fortschrittlichsten Krankenhausbauten des 19. Jh.
Im Jahr 1893 wird die von Schwestern des Klosters Sießen geleitete höhere Töchterschule eröffnet. 1914 zählt sie 34 Schülerinnen. Die Schule, die bis 1931 geführt wird, bietet neben einem erweiterten Volksschulunterricht mit den Fächern Zeichnen, Französisch, Industrie, Anstandslehre und Musik auch einen Fortbildungsunterricht mit Religion, deutscher Sprache und Literatur, Französisch, Englisch, Musik und weiteren Fächern an.
Seit Beginn des Bahnbaus bemühte sich Tettnang stets vergebens um einen Anschluss an das Streckennetz. Von 1887 an wird das Projekt eines Bahnanschlusses nach Meckenbeuren intensiv verfolgt. Aber erst 1894 kommt es zum Vertragsabschluss zwischen der Stadt und der Lokalbahn AG in München über den Bau einer normalspurigen, elektrifizierten Strecke zwischen den beiden Orten, die am 3. Dezember 1895 den fahrplanmäßigen Betrieb aufnimmt. Gleichzeitig wird in Tettnang der elektrische Strom eingeführt, gespeist aus dem Wasserkraftwerk in Brochenzell und einem Dampfkraftwerk in Tettnang. Mit der Inbetriebnahme der Bahn werden in der Stadt 60 Straßenlampen und 400 Lampen in privaten Haushalten eingeschaltet.