Ritter Michael von Jung
(* 1781 in Saulgau, † 1858 in Tettnang)
Priester und Dichter
Am 29. September 1781 wurde Michael Jung als Sohn eines Schneidermeisters in Saulgau geboren. Nach der Lehre bei seinem Vater besuchte er 1796 die Lateinschule in Überlingen, studierte von 1801 bis 1805 mit Hilfe einer Stipendienstiftung in Salzburg Theologie, machte in Freiburg Examen und schloss seine Ausbildung im Priesterseminar der Konstanzer Diözese in Meersburg ab. 1806 feierte er seine Primiz in Saulgau. Jung wurde Vikar in Erolzheim und nach seiner zweiten Dienstprüfung 1811 mit 30 Jahren Pfarrer in Kirchdorf an der Iller.
Hier brach 1814 eine Typhusepidemie aus. Jung kurierte gegen ärztlichen Rat zunächst sich selbst mit einem starken Brechmittel und setzte dann zweckmäßige hygienische Maßnahmen durch, so dass die Seuche in seiner Pfarrei nur wenige Opfer forderte. König Friedrich I. von Württemberg schlug ihn dafür zum Ritter des Königlich Württembergischen Zivilverdienst-Ordens. Der Ritter-Titel, den Jung von nun an stolz trug, war mit dem persönlichen Adel verknüpft.
Schon 1812 hatte Jung begonnen gereimte Leichenreden zu verfassen und zur Laute auf dem Friedhof zu singen. Diese Grablieder sind so etwas wie ein Sittenspiegel seiner Zeit und ein unmittelbarer Blick in die Krankheitsgeschichten und Todesursachen der Bevölkerung im Illertal. Als er die Lieder drucken lassen wollte, verweigerte ihm der Bischof 1837 die Druckerlaubnis. Ritter von Jung ließ sich nicht einschüchtern und hielt an seiner eigenmächtigen Reform des Beerdigungsrituals fest. Er gab seine Leichenlieder im Selbstverlag heraus und nannte sie nach einer Trauermuse der Antike „Melpomene“.
1849, im Alter von 68 Jahren wurde von Jung auf die St. Anna-Kaplanei in Tettnang versetzt. Bis heute spricht man von einer Strafversetzung. Tatsächlich handelte es sich um „eine allergnädigste Verleihung eines seinem gebrechlichen Alter angemessenen Postens“.
Die Leute nahmen sowohl in Kirchdorf als auch in Tettnang wenig Anstoß an den originellen Grabliedern des Ritters und Kaplans Michael von Jung. Seine Grablieder, Theaterstücke, deutschen Vespergesänge und Metten hatten aufklärerische Absicht. Die lebenspraktische Anwendung trat in den Vordergrund. Sperrige Glaubensinhalte wurden umgangen. In seinen Predigten kamen Themen zur Sprache wie Erziehung der Kinder, Schulbildung, Kauf-, Miet- und Pachtverträge, Gesundheit von Mensch und Vieh, sowie naturkundliche Themen. Er rief zur Pockenimpfung auf, empfahl den Blitzableiter, warnte vor Kurpfuschern, äußerte sich zu landwirtschaftlichen Fragen, leitete Hebammen an, mahnte Schmuggler und Steuerhinterzieher, empfahl Mäßigkeit in allen Dingen. Den Sündern machte er die Hölle nicht allzu heiß, sondern wusste immer auch von der Barmherzigkeit Gottes zu erzählen. Stets hatte der Menschenfreund ein mitfühlendes Herz, auch beim Tod eines Wilderers, einer Kindsmörderin oder eines Selbstmörders.
Von Jung hatte als Volksschriftsteller Gespür für die Interessen und den Geschmack seines Publikums. Sein Stück „Der heilige Willibold“, eine schauerlich erbauliche Mischung von blutrünstiger Räuberklamotte und rührseligem Legendenspiel verrät nicht nur Anklänge an Schillers Räuber, auch die Zeit des „Schwarzen Veri“ und seiner Räuberkumpane zwischen Tettnang und Biberach ist darin verarbeitet.
Im Alter von 78 Jahren starb Michael von Jung am 24. Juli 1858 in Tettnang. Bei den Priestergräbern auf dem Alten Friedhof wurde er begraben.
Michael von Jung
(1781 – 1858) Priester und Dichter
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