Karl Reihing

Karl Reihing

Karl Reihing

(*1828 in Calw, † 1887 in Tettnang
Altarbauer, Bildhauer und Male

Karl Reihing wurde am 26. Dezember 1828 in Calw geboren. Über seine Lehr- und Wanderjahre ist nichts bekannt. Als 1860 die Tettnanger Pfarrkirche St. Gallus neu erbaut wurde, kam er in die Stadt. Er arbeitete am Altaraufbau mit und erstellte die Beichtstühle. 1862 richtete Reihing sich in der Tettnanger Montfortstraße eine Werkstatt für Altarbau ein. Im gleichen Jahr heiratete er Elisabeth Weißer, mit der er zwölf Kinder bekam.

Von » Adolf Aich, Kaplan in St. Johann zu Tettnang, erhielt Reihing 1864 den Auftrag zum Bau des neoklassizistischen Hauptaltars und der Seitenaltäre in der St. Johann-Kapelle. Das Altarblatt mit dem hl. Johannes dem Täufer stammt aus der Hand des Tettnanger Künstlers Fidelis Bentele. Die Seitenaltäre sind heute nicht mehr vorhanden. Auch die Tettnanger Loretokapelle erhielt 1865 einen neuen Altar aus Reihings Werkstatt, mit einer schönen Madonnenfigur (heute in der St. Georgs-Kapelle) und den Heiligen Dominikus und Theresa von Avila. Ein Jahr später lieferte er den Hauptaltar und die Seitenaltäre für die Pfarrkirche St. Vitus (heute St. Magnus) in Friedrichshafen-Fischbach. 1871 folgte der prächtige Hochaltar für die Stadtkirche St. Nikolaus in Markdorf/Baden mit der integrierten zentralen Altargruppe der Geburt Christi von Prof. Geiger, München. 1877 fertigte Reihing die Nebenaltäre der Tettnanger Kapelle St. Georg.

Einen bedeutenden Auftrag erhielt er 1877 mit der Ausgestaltung der Pfarrkirche St. Jodokus in Immenstaad/Bodensee. Noch im gleichen Jahr lieferte er den neugotischen Hochaltar unter Wiederverwendung einer gotischen Madonna und der barocken Figuren des hl. Dominikus und der hl. Katharina von Siena. Die neugotischen Figuren am Altar und die Gemälde sind ohne Zweifel eigene Werke von Reihing. Der Altar gilt heute als ein hervorragendes Zeugnis der Altarbaukunst im Bodenseeraum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1878 lieferte er zwei Chor-Beichtstühle und eine neue Kommunionbank nach Immenstaad. Für die Kirche in Friedrichshafen-Schnetzenhausen fertigte Reihing 1878 die Nebenaltäre, die heute nicht mehr vorhanden sind, und für St. Maria im Ortsteil Jettenhausen 1881 Seitenaltäre und die Kanzel, jeweils im neuromanischen Stil.

Ein weiterer Beweis von Reihings bildhauerischer Tätigkeit befindet sich in dem Bildstock am Eingang zum Alten Friedhof in Tettnang: die Figur Christus im Kerker entstand im Jahre 1884. Ein Jahr später schuf er den Hochaltar, die Seitenaltäre und die Kanzel für die Pfarrkirche St. Georg im Tettnanger Ortsteil Krumbach. Der Hochaltar wurde bereits 1938 wieder abgerissen. Die Seitenaltäre befinden sich in Privatbesitz und werden jeweils bei der Fronleichnamsprozession im Ort aufgestellt.

Mit Ausnahme des neoklassizistischen Altaraufbaus in St. Johann zu Tettnang hat Karl Reihing wechselweise neuromanische und neugotische Altäre geschaffen. Er traf damit genau den Kunstgeschmack seiner Epoche. Zu den Höhepunkten seines Schaffens zählen die neugotischen Altäre in Markdorf und Immenstaad und die neuromanischen Altäre in Fischbach und Jettenhausen. In beiden Stilrichtungen erlangte er höchste Ausdruckskraft. Beide Stilrichtungen sprechen uns heute nicht mehr an, aber sie lassen vor dem Aufbruch in die Moderne ein letztes Mal das alte handwerkliche Können aufleben.

Karl Reihing starb am 16. Februar 1887 in Tettnang. Man darf ihn zu Recht als einen der bedeutendsten Künstler der Stadt bezeichnen.

Neoklassizistischer Altar

in der St. Johann-Kapelle Tettnang

Johann Georg Pfahler

Johann Georg Pfahler

Johann Georg Pfahler

(*1817 in Mergentheim, †1889 in Ravensburg)
Pfarrer und Nationalversammlungs-Abgeordneter

Johann Georg Pfahler wurde am 2. März 1817 in Mergentheim geboren. Nach dem Besuch der Lateinschule in Mergentheim 1829-32 und des Gymnasiums in Ehingen 1832-36 studierte er von 1836 bis 1840 Theologie in Tübingen. Am 9. September 1841 wurde Pfahler zum Priester geweiht. Nach einer Vorausbildung in Tübingen 1841/42 kam Pfahler im November 1842 als Vikar und Verweser der Präzeptorats-Kaplanei St. Anna nach Tettnang. Schon während seiner Ausbildung war er wegen seiner oppositionellen Haltung gegenüber der Kirchenführung aufgefallen. Als Verwalter von St. Anna und als Lehrer der Lateinschule setzte er sich tatkräftig nicht nur für die Belange der Gemeindemitglieder, sondern auch für politische und kirchliche Freiheiten, für demokratische Rechte und ein geeintes Deutschland als Nationalstaat ein. Engagiert kämpfte er gegen den feudalen Polizeistaat und eine Staatskirche. Als seine Absetzung drohte, machten sich Bürgermeister und Stadträte für den beliebten Kaplan stark.

Am 26./ 27. April 1848 wurde er mit 4.855 von 8.825 Stimmen für den Wahlbezirk Donaukreis 4, der die Oberämter Ravensburg, Tettnang, Wangen umfasste, zum Abgeordneten zur Deutschen Nationalversammlung gewählt. Hier schloss er sich dem linken Zentrum an und zählte zu den Gründern des Märzvereins, der sich für die Erhaltung der bedrohten März-Errungenschaften einsetzte. Im August 1849, Februar 1850 und September 1850 wurde er als Bezirksabgeordneten des Oberamts Tettnang in das sog. Rumpfparlament nach Stuttgart gewählt, in dem die verbleibenden Frankfurter Abgeordneten nach Auflösung der Nationalversammlung weiter tagten. Als Ausschussmitglied hatte er zwischen den jeweiligen Sitzungen des Parlaments dessen Interessen wahrzunehmen.

Aufgrund seiner großen Popularität in der Stadt und als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung wählte die 1848 gegründete Turngemeinde Tettnang Pfahler zum ihrem erster Vorsitzender.

Am 11. März 1851 wurde Pfahler wegen seines engagierten politischen Auftretens, oder wie es offiziell hieß „wegen politischer Rücksichten“ als Kaplaneiverweser nach Ellwangen/Jagst versetzt, so dass er Tettnang am 5. April verlassen musste. Trotz dieser Maßregelung ging er aus der Wahl zum 19. Württembergischen Landtag am 25. April 1851 im Oberamt Tettnang erneut als Sieger hervor. Weil ihm die Regierung nun jedoch die erforderliche Beurlaubung verweigerte, gab Pfahler sein Mandat am 8. Mai zurück, so dass der unterlegene Gegenkandidat Bernhard Jakob, Rotgerber, Wirt und Bauer aus Ailingen, seit August 1848 Vorstand des Landwirtschaftlichen und Gewerbevereins Tettnang, bis 1855 in den Landtag einziehen konnte.

Erst im Juli 1854 erhielt Pfahler die Ellwanger St. Johanns-Kaplanei definitiv übertragen. Von 1856 bis 1886 amtierte er als Pfarrer in Erolzheim bei Biberach. Ende 1886 in den Ruhestand versetzt, zog Pfahler, der auch als Autor historischer Schriften in Erscheinung getreten ist, ins Josephsheim nach Ravensburg, wo er am 9. März 1889 starb. Sein Grab befindet sich in Erolzheim.

 

 

Johann Georg Pfahler

Pfarrer und Nationalversammlungs-Abgeordneter

Dr. h. c. Josefine Kramer

Dr. h. c. Josefine Kramer

Dr. h. c. Josefine Kramer

(* 1906 in Tettnang † 1994 in Fribourg)
Wissenschaftlerin, Kinder- und Jugendpsychologin

Am 24. Dezember 1906 wurde Josefine Kramer als ältestes von sieben Kindern der Familie Kramer im Tettnanger Stadtteil Ried geboren. Ihr Vater war Maler und betrieb eine kleine Landwirtschaft. Nach dem Volksschulabschluss – der Besuch einer höheren Schule blieb ihr wegen der bescheidenen Verhältnisse des Elterhauses versagt – nahm sie Anfang der 1920er Jahre eine Stelle als Hausmädchen in Zürich an. Die Arbeitgeberin in dem wohlhabenden Haus erkannte Josefines Begabung, machte sie zu ihrer Gesellschafterin, nahm sie mit auf Reisen und setzte alles daran, dem jungen Mädchen einen möglichst großen geistigen Gesichtskreis zu eröffnen.

Auf ihrem weiteren Berufsweg widmete sich Josefine Kramer zunächst der Krankenpflege, bei der sie mit dem damals noch wenig beachteten Fach der Sozialpädagogik in Berührung kam. Mit 22 Jahren begann sie eine Ausbildung am Sozialpädagogischen Institut in Solothurn. Dies war der erste Schritt zu einer ungewöhnlichen wissenschaftlichen Karriere.

Ohne die erforderlichen Schulabschlüsse studierte sie an der Universität Fribourg, wo sie später selbst 25 Jahren lang am Heilpädagogischen Institut lehrte. Durch ihre Arbeit und Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen, deren Entwicklung auf die eine oder andere Weise gehindert war, drang sie immer tiefer in die Erforschung der Ursachen ein. Diese Arbeit mündete in zahlreichen Veröffentlichungen. Ihre Büchern zählen nach wie vor zu den Standardwerken auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie. In ihrem ersten, 1939 erschienenen Buch befasste sich Josefine Kramer mit dem „Sigmatismus“, der Störung bei der Bildung von S-Lauten. Ihr bekanntestes Werk „Intelligenztest“ erschien 1954, das Buch über die „Linkshändigkeit“ kam 1961 heraus. Bei ihrer Arbeit und den Veröffentlichungen kam es ihr darauf an, die vordergründigen Erscheinungen durch Verständnis für die Ursachen zu überwinden oder – wie im Fall der Linkshändigkeit – vom Makel einer Fehlleistung zu befreien.

Unter den vielen Ehrungen, die Josefine Kramer zuteil wurden, nimmt die Verleihung des Ehrendoktorats der Philosophischen Fakultät in Fribourg 1963 die wichtigste Stelle ein. Ein klassisches Instrument zur vergleichenden Feststellungen von Begabungen bei Kindern und Jugendlichen ist noch heute der „Kramer-Test“, benannt nach der gebürtigen Tettnangerin, der bisher einzigen, die es zu derart weltweitem wissenschaftlichen Ansehen gebracht hat.

Ihre positive Einstellung zum Leben kam auch durch ihre Freude an modischer Kleidung, an leuchtenden Farben, an Musik und Geselligkeit zum Ausdruck. Und bei allem Ruhm als Schweizer Wissenschaftlerin hing sie bis zuletzt an der Tettnanger Heimat, wo sie immer wieder Erholung und Entspannung suchte. Sie starb nach langer Krankheit im 88. Lebensjahr am 7. Dezember 1994.

 

Dr. h. c. Josefine Kramer

(1906– 1994) Wissenschaftlerin, Kinder- und Jugendpsychologin

Dr. Ing. Paul Eduard Klein

Dr. Ing. Paul Eduard Klein

Dr. Ing. Paul Eduard Klein

(*1907 in Riga, †1979 in Tettnang)
Ingenieur und Elektronikpionier

Die heutige Bedeutung Tettnangs als Standort der Elektronikschule und einer breit gefächerten Elektronikindustrie ist in erster Linie der Pionierarbeit von Paul E. Klein zu verdanken. Am 2. Dezember 1907 wurde er in der lettischen Hauptstadt Riga geboren. Mit 12 Jahren kam er aufgrund eines Stipendiums in ein Internat nach Potsdam. Hier wurde ihm 1923 ein kleines Labor eingerichtet, in dem er sich mit den Grundzügen der neuen Disziplin Rundfunktechnik beschäftigen konnte. Bereits 1925, mit 17 Jahren, erschien in der Fachzeitschrift ›Funk‹ seine erste Veröffentlichung.

Nach dem Abitur studierte er zwischen 1927 und 1933 an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg Elektrotechnik, Fachrichtung Fernmeldetechnik. Anschließend arbeitete er bei der Reichsrundfunk-Gesellschaft in Charlottenburg. 1934 berief ihn der Wissenschaftler Manfred von Ardenne als technischer Leiter in seine Oszillografengesellschaft in Köln. Diese Firma wurde 1936 von Siemens & Halske AG in Berlin übernommen. Bis zur Schließung 1945 war Klein Vorstand des Oszillografenlabors bei Siemens. In dieser Zeit entstanden zahlreiche seiner Veröffentlichungen und Patente auf dem Gebiet der Elektronik.

Nach Kriegsende arbeitete Klein zunächst bei Siemens in München, leitete dann ein technisches Büro und promovierte 1947 an der Technischen Hochschule in München im Fach Messtechnik mit der Gesamtnote ›sehr gut‹. 1948 gründete Dr. Klein in München die Firma Elektronenstrahl-Sichtgeräte, die schon ein Jahr später nach Stuttgart übersiedelte und sich nach den Initialen ihres Gründers ›PEK – Elektronenstrahl-Sichtgeräte‹ nannte.

Im Zuge seiner Bemühungen um Industrieansiedlungen konnte der Tettnanger Bürgermeister Rudolf Gnädinger Dr. Klein zur Verlegung seines Betriebs nach Tettnang bewegen. Mit anfangs zehn Mitarbeitern begann die Firma im Januar 1956 mit der Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von elektronischen Messgeräten. 1962 baute Dr. Klein eine Lehrwerkstatt auf, um dem steigenden Bedarf an qualifizierten Elektronikmechanikern zu begegnen. Er erreichte, dass an der Gewerblichen Schule in Tettnang eine spezielle Fachklasse für Elektronikmechaniker eingerichtet wurde und entwarf gleichzeitig die dazu erforderlichen, landesweit gültigen Lehrpläne. Parallel dazu entwickelte, fertigte und vertrieb PEK Lehr- und Lernmittel für Schulen und Betriebe im Bereich Elektronik.

Dr. Klein setzte sich auch verstärkt für die Verbandsarbeit der elektrotechnischen Industrie ein, war Mitglied in verschiedenen Ausschüssen und Vorsitzender in drei Normenausschüssen. Auf Landesebene gründete er die Interessengemeinschaft ›Ausbildung auf dem Gebiet der Elektronik‹ und war Mitglied des Arbeitskreises Betriebliche Berufsausbildung beim Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg. Jährlich organisierte er die bundesweit beachteten ›Tettnanger Tage auf dem Gebiet der Elektronik‹, an der Bildungsfachleute aus der Industrie, dem Handwerk und von Körperschaften des Bundes teilnahmen. Die erste Tagung 1961 fand noch im bescheidenen Rahmen im Rathaussaal statt. Ab 1966 musste man für die viertägige Tagung sogar die Stadthalle mieten.

Neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen war Dr. Klein Initiator und Mitherausgeber der Lehrbuchreihe ›Leitfaden der Elektronik‹. 1973 verkaufte er seinen Betrieb, blieb aber Gesellschafter des Unternehmens und weiterhin für Forschung und Entwicklung zuständig.

Dr. Paul Eduard Klein starb in Tettnang am 17. August 1979 unerwartet im 72. Lebensjahr.

 

Dr. Ing. Paul Eduard Klein

(1907– 1979 in Tettnang) Ingenieur und Elektronikpionier

Ritter Michael von Jung

Ritter Michael von Jung

Ritter Michael von Jung

(* 1781 in Saulgau, † 1858 in Tettnang)
Priester und Dichter

Am 29. September 1781 wurde Michael Jung als Sohn eines Schneidermeisters in Saulgau geboren. Nach der Lehre bei seinem Vater besuchte er 1796 die Lateinschule in Überlingen, studierte von 1801 bis 1805 mit Hilfe einer Stipendienstiftung in Salzburg Theologie, machte in Freiburg Examen und schloss seine Ausbildung im Priesterseminar der Konstanzer Diözese in Meersburg ab. 1806 feierte er seine Primiz in Saulgau. Jung wurde Vikar in Erolzheim und nach seiner zweiten Dienstprüfung 1811 mit 30 Jahren Pfarrer in Kirchdorf an der Iller.

Hier brach 1814 eine Typhusepidemie aus. Jung kurierte gegen ärztlichen Rat zunächst sich selbst mit einem starken Brechmittel und setzte dann zweckmäßige hygienische Maßnahmen durch, so dass die Seuche in seiner Pfarrei nur wenige Opfer forderte. König Friedrich I. von Württemberg schlug ihn dafür zum Ritter des Königlich Württembergischen Zivilverdienst-Ordens. Der Ritter-Titel, den Jung von nun an stolz trug, war mit dem persönlichen Adel verknüpft.

Schon 1812 hatte Jung begonnen gereimte Leichenreden zu verfassen und zur Laute auf dem Friedhof zu singen. Diese Grablieder sind so etwas wie ein Sittenspiegel seiner Zeit und ein unmittelbarer Blick in die Krankheitsgeschichten und Todesursachen der Bevölkerung im Illertal. Als er die Lieder drucken lassen wollte, verweigerte ihm der Bischof 1837 die Druckerlaubnis. Ritter von Jung ließ sich nicht einschüchtern und hielt an seiner eigenmächtigen Reform des Beerdigungsrituals fest. Er gab seine Leichenlieder im Selbstverlag heraus und nannte sie nach einer Trauermuse der Antike „Melpomene“.
1849, im Alter von 68 Jahren wurde von Jung auf die St. Anna-Kaplanei in Tettnang versetzt. Bis heute spricht man von einer Strafversetzung. Tatsächlich handelte es sich um „eine allergnädigste Verleihung eines seinem gebrechlichen Alter angemessenen Postens“.

Die Leute nahmen sowohl in Kirchdorf als auch in Tettnang wenig Anstoß an den originellen Grabliedern des Ritters und Kaplans Michael von Jung. Seine Grablieder, Theaterstücke, deutschen Vespergesänge und Metten hatten aufklärerische Absicht. Die lebenspraktische Anwendung trat in den Vordergrund. Sperrige Glaubensinhalte wurden umgangen. In seinen Predigten kamen Themen zur Sprache wie Erziehung der Kinder, Schulbildung, Kauf-, Miet- und Pachtverträge, Gesundheit von Mensch und Vieh, sowie naturkundliche Themen. Er rief zur Pockenimpfung auf, empfahl den Blitzableiter, warnte vor Kurpfuschern, äußerte sich zu landwirtschaftlichen Fragen, leitete Hebammen an, mahnte Schmuggler und Steuerhinterzieher, empfahl Mäßigkeit in allen Dingen. Den Sündern machte er die Hölle nicht allzu heiß, sondern wusste immer auch von der Barmherzigkeit Gottes zu erzählen. Stets hatte der Menschenfreund ein mitfühlendes Herz, auch beim Tod eines Wilderers, einer Kindsmörderin oder eines Selbstmörders.

Von Jung hatte als Volksschriftsteller Gespür für die Interessen und den Geschmack seines Publikums. Sein Stück „Der heilige Willibold“, eine schauerlich erbauliche Mischung von blutrünstiger Räuberklamotte und rührseligem Legendenspiel verrät nicht nur Anklänge an Schillers Räuber, auch die Zeit des „Schwarzen Veri“ und seiner Räuberkumpane zwischen Tettnang und Biberach ist darin verarbeitet.

Im Alter von 78 Jahren starb Michael von Jung am 24. Juli 1858 in Tettnang. Bei den Priestergräbern auf dem Alten Friedhof wurde er begraben.

 

Michael von Jung

(1781 – 1858) Priester und Dichter

 Carl Gührer

 Carl Gührer

Carl Gührer

(*1872 in Tettnang, †1953 in Tettnang)
Textilkaufmann

Der Bauernsohn Carl Gührer wurde am 14. Januar 1872 in der Tettnanger Karlstraße Nr. 8 geboren. Er absolvierte eine Lehre als Textilkaufmann, ehe er an verschiedenen Orten (u. a. in Düsseldorf und Berlin) berufliche Erfahrungen sammelte. Mit 25 Jahren gründete er 1897 ein eigenes Textilgeschäft mit Stoffen und Damenoberbekleidung am Bärenplatz Nr. 3, das er bis 1950 führte.

Carl Gührer hat sich bereits in seiner Jugend für das Vereinswesen, das seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu den Bürgerrechten gehörte, eingesetzt und dieses in seiner Heimatstadt maßgeblich mitgestaltet. Er belebte den seit 1848 bestehenden Turnverein, erwirkte 1905 seine Neugründung und steuerte dessen Entwicklung als Vorstand über 33 Jahre. Auch die Neuanfänge nach den Weltkriegen 1919 und 1946, nun unter dem Namen TSV, lagen in seiner Verantwortung. Daneben engagierte sich Gührer beim Aufbau der Freiwilligen Feuerwehr und war von 1914 bis 1920 deren Kommandant.

Von 1918 bis 1927 gehörte Gührer dem Gemeinderat an. In dieser Zeit entstand auch der Handels- und Gewerbeverein in Tettnang, dessen Vorsitz er 15 Jahre innehatte. Seine beruflichen Erfahrungen nutzte die Industrie- und Handelskammer, die ihn in ihre Vollversammlung berief. Später war er Delegierter des Württembergischen Industrie- und Handelstages in Stuttgart. Die Generalversammlung der Creditbank (heute Volksbank) wählte ihn 1928 in den Aufsichtsrat, dessen Vorsitz er von 1932 bis 1949 innehatte.

Carl Gührer unterstützte den „Liederkranz“ und die Blasmusik. Von 1923 bis 1938 war er Vorsitzender des Musikvereins und setzte sich für die Ausbildung eines leistungsfähigen Blasorchesters ein. Seinen sportlichen Neigungen entsprechend war er auch Mitglied des Radfahrvereins und der Freunde Kneippscher Anwendungen.

Anlässlich seines 80. Geburtstages plädierte eine Bürgergruppe für die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Gührer. Im Gemeinderat fand das Ansinnen allerdings keine Mehrheit. Sein Engagement für das Vereinswesen sei zwar lobenswert, genüge aber im Hinblick auf das Auswahlkriterium „Wertschätzung auch außerhalb des Gemeindebereiches“ nicht.

Carl Gührer starb am 14. Juli 1953 im Alter von 81 Jahren. Die 1983 eingeweihte Sporthalle am Manzenberg trägt ihm zu Ehren seinen Namen.

 

Carl Gührer

(1872 – 1953 in Tettnang) Textilkaufmann